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Ratenzahlungen an den Gerichtsvollzieher - Insolvenzverwalter kann Geld bei späterer Insolvenz des Schuldners nicht vom Gläubiger zurückfordern
Datum: 25.06.2008
Kurzbeschreibung:
Der Kläger, Insolvenzverwalter eines Bauunternehmens (BU), verlangt von der beklagten Berufsgenossenschaft die Rückzahlung von zuletzt ca. 5.000 Euro. Das BU schuldete der Berufsgenossenschaft Beiträge. Noch vor dem Insolvenzantrag erließ die Berufsgenossenschaft Beitragsbescheide gegen das BU, die Grundlage einer Zwangsvollstreckung sein können. Da keine Zahlung erfolgte, erteilte die Berufsgenossenschaft dem Gerichtsvollzieher Vollstreckungsaufträge. Der erste Pfändungsversuch beim BU blieb fruchtlos. Der Gerichtsvollzieher bestimmte daraufhin Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, den er aber immer wieder vertagte, wenn das BU die mit ihm gemäß § 806 b ZPO vereinbarten Ratenzahlungen erbrachte. Auf diese Art wurde die Forderung der Berufsgenossenschaft in Höhe von ca. 5.000 Euro in kleineren Beträgen bis zum Mai 2006 beglichen.
Nachdem im Dezember 2006 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet worden war, forderte der Insolvenzverwalter diese Summe zurück. Nach § 133 InsO (Insolvenzordnung) ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Damit soll es dem Insolvenzverwalter ermöglicht werden, beispielsweise freiwillige Zahlungen des Insolvenzschuldners an Gläubiger zurückzufordern, um für die Durchführung des Insolvenzverfahrens die Vermögensmasse für alle Insolvenzgläubiger zu vergrößern, wenn der Schuldner den Vorsatz hatte, die anderen Gläubiger zu benachteiligen und der bevorzugte Gläubiger das wusste. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in einem Zeitraum bis zu drei Monate vor dem Insolvenzantrag der Grundsatz des Vorrangs des schnelleren Gläubigers gilt, der in der Einzelzwangsvollstreckung seine Forderungen durchsetzt, während danach, in den letzten drei Monaten, der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger herrscht. Das bedeutet, dass in dem Zeitraum von 10 Jahren bis zu drei Monaten vor dem Insolvenzantrag der Insolvenzverwalter grundsätzlich die Vermögensteile nicht zurückfordern kann, die einem Gläubiger durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zugeflossen sind.
Das Landgericht Karlsruhe hat der Klage des Insolvenzverwalters stattgegeben und die Berufsgenossenschaft zur Rückzahlung verurteilt, da es sich um freiwillige Zahlungen gehandelt habe und die weiteren Voraussetzungen des § 133 InsO erfüllt seien.
Die Berufung der beklagten Berufsgenossenschaft zum Oberlandesgericht Karlsruhe - 8. Zivilsenat - war erfolgreich. Der Senat hat die Klage abgewiesen:
Das BU war zum Zeitpunkt der Ratenzahlung an den Gerichtsvollzieher bereits zahlungsunfähig und überschuldet, durch die Zahlungen kam es zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung (der übrigen Gläubiger des BU), da deren Befriedigungsmöglichkeiten ohne die Ratenzahlung an die beklagte Berufsgenossenschaft wirtschaftlich günstiger gewesen wären. Der Senat hat auch angenommen, dass das BU den Vorsatz hatte, die übrigen Gläubiger zu benachteiligen, und das der Berufsgenossenschaft bekannt war. Die Voraussetzungen des § 133 InsO hat der Senat jedoch verneint, weil den Teilzahlungen keine Rechtshandlungen des BU zugrunde lagen, sie nicht freiwillig erfolgten, sondern innerhalb der hoheitlichen Zwangsvollstreckung. Die Ratenzahlungen beruhten nämlich nicht auf einer Ratenzahlungsvereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner - Berufsgenossenschaft und BU - , sondern waren allein vom Gerichtsvollzieher gemäß § 806 b ZPO als Teil des Zwangsvollstreckungsverfahrens und damit als Teil seines hoheitlichen Handelns veranlasst worden. Das in dieser Form vom Gerichtsvollzieher beigetriebene Geld kann danach nicht anders behandelt werden als z.B. Bargeld, das der Gerichtsvollzieher aus der Kasse eines Unternehmens gepfändet hat.
Dieses Ergebnis entspricht auch den Interessen der Praxis. Der Insolvenzverwalter müsste ansonsten jeweils gerichtliche Verfahren auf Rückzahlung anstrengen, in denen er für zahlreiche, betragsmäßig geringe Teilzahlungen an den Gerichtsvollzieher in jedem Einzelfall die Örtlichkeit der Vornahme der Handlung, den gerade aktuellen Stand der Zwangsvollstreckung, die Art der Zahlung und den jeweiligen Eintritt der Erfüllung detailliert vortragen müsste. Das ist für ihn besonders schwierig, weil die Personen, der Gerichtsvollzieher und das insolvente Unternehmen, die möglicherweise über diese Kenntnisse noch verfügen, am Prozess nicht beteiligt sind. Im Extremfall müsste für einen Zeitraum von knapp 10 Jahren auch über kaum noch aufklärbare Streitfragen des subjektiven Bereichs, nämlich den Benachteiligungsvorsatz und dessen Kenntnis der Gegenseite gestritten werden. Darüber hinaus würde diese Möglichkeit zu einer erheblichen Verunsicherung von Gläubigern mit berechtigten titulierten Forderungen führen, da für sie die Gefahr bestehen würde, noch nach vielen Jahren auf Rückzahlung von Geld in Anspruch genommen zu werden, das im Rahmen einer ordnungsgemäßen Zwangsvollstreckung an sie ausgezahlt worden ist. Dadurch würde auch das einzige einem privaten Gläubiger nach dem Gesetz zur Verfügung stehende Zwangsmittel der Zwangsvollstreckung in seiner Effizienz erheblich geschwächt.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen zugelassen.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 24.06.2008
- 8 U 186/07 -