Suchfunktion
Kein Haftungsausschluss bei Teilnahme am Fahrsicherheitstraining, wenn Versicherungsschutz besteht
Datum: 24.10.2008
Kurzbeschreibung:
Im November 2002 fand eine Veranstaltung der akademischen Motorsportgruppe S. auf dem Hockenheimring statt, das „35. Akademische“-Jedermann-Fahrer-Lehrgang und Sporttraining, mit einem eigenen Fahrerlehrgang für die Fahrzeuge der Marke Audi RS („Audi Quattro“). Teilnehmer waren unter anderem A. und B. jeweils mit einem haftpflichtversicherten Kfz dieser Marke. Bei der Veranstaltung fuhr B. in einer Rechtskurve bei regennasser Fahrbahn auf das vor ihm befindliche Fahrzeug des A. auf und beide Fahrzeuge wurden erheblich beschädigt. B. verlangte nunmehr von A. als Fahrer, von dem Halter des Kfz und der Haftpflichtversicherung Zahlung von ca. 11.000 € für Reparaturkosten und als Nutzungsentschädigung. Jeder der beiden Fahrer wies die alleinige Verantwortung dem anderen zu, die Haftpflichtversicherer wandten in erster Linie ein, ihre Haftung sei ausgeschlossen, da es sich um ein nicht versichertes Autorennen gehandelt habe.
Das Landgericht Mannheim hat die Ansprüche des B. zurückgewiesen. Das dieses Urteil im Ergebnis bestätigende Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23.02.2007 ist vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 29.01.2008 (VI ZR 98/07) aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden.
In Anwendung der in diesem Urteil neu entwickelten Grundsätze, die die Haftung bei gefährlichen sportlichen Wettkämpfen danach differenzieren, ob Versicherungsschutz besteht, hat das Oberlandesgericht Karlsruhe dem B. auf seine Berufung ca. 5.000 € zugesprochen.
Nach Auffassung des Senats ist die gesamtschuldnerische Haftung des Halters, des Fahrers A. und der Haftpflichtversicherung weder nach den AKB (Allg. Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung) noch nach dem von allen Teilnehmern unterzeichneten Haftungsverzicht ausgeschlossen, weil es sich hier nicht um ein Rennen handelte. In den AKB wie auch im Haftungsverzicht ist ein Risikoausschluss nur für diejenigen Schäden vorgesehen, die bei Beteiligung an behördlich genehmigten Fahrveranstaltungen entstehen, bei denen es auf Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt. Maßgeblich ist, ob ein reiner Wettbewerb zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeit vorliegt. Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich dann nicht um ein Rennen, wenn bei einem Lehrgang einer Sportfahrschule auf einer Rundstrecke die Verbesserung des Fahrkönnens und die Beherrschung des Fahrzeugs im Alltagsverkehr, insbesondere in extremen Gefahrensituationen, im Vordergrund stehen, sofern die Erzielung einer möglichst hohen Geschwindigkeit nicht Haupt- und Endziel ist, weil sich die Platzierung der Teilnehmern nicht danach richtet. Auch bei der Veranstaltung im Streitfall handelte es sich nicht um ein Rennen. Nach den Teilnahme- und Wertungsbedingungen sollte für Sieg und Platzierung gerade nicht entscheidend sein, wer die höchste Geschwindigkeit erzielte oder die meisten oder schnellsten Runden fuhr, sondern Ziel des Abschlusstrainings war, dass die Teilnehmer den Kurs auf der Ideallinie in der vorgegebenen Sollzeitzeit befahren. Durch die Vorgabe sollte sowohl ein Bummeln als auch die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten vermieden werden. Bei Unterschreitung wie bei Überschreiten der Sollzeit um mehr als 3 Sekunden drohte die Vergabe von Strafpunkten. Über die Platzierung der Teilnehmer entschied die Anzahl der bei zu hoher oder bei zu niedriger Geschwindigkeit angefallenen Strafpunkte.
Die Haftung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer treuwidrigen Inanspruchnahme des Mitbewerbers ausgeschlossen. Zwar ist grundsätzlich nach der Rechtsprechung bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotential, bei denen typischerweise auch bei Einhaltung der Wettbewerbsregeln und bei geringfügigen Regelverletzungen die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügung besteht, die Inanspruchnahme des schädigenden Mitbewerbers für Schäden eines Teilnehmers ausgeschlossen, die ohne gewichtige Regelverletzung verursacht wurden. Diese Grundsätze finden jedoch nach der neuen Rechtsprechung des BGH keine Anwendung, wenn die Schäden durch eine Versicherung abgedeckt sind. Besteht wie hier Versicherungsschutz für ein schädigendes Verhalten auch dann, wenn sich besondere Gefahren verwirklichen, kann es nicht Aufgabe des Haftungsrechts sein, die Reichweite des Versicherungsschutzes über die Versicherungsbedingungen hinaus einzuschränken. Daher haften die Beklagten auch für solche Schäden, die ohne Verschulden oder leicht fahrlässig verursacht wurden.
Nach der Beweisaufnahme, insbesondere nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, gelangte der Senat zu der Überzeugung, dass beide Fahrer in gleichem Maß zum Unfallgeschehen beigetragen haben. Beiden Fahrern ist eine leicht fahrlässige Verletzung von Sorgfaltspflichten anzulasten. Die StVO ist zwar nach den Teilnahmebedingungen nicht anwendbar, die Teilnehmer haben sich aber besonderen Fahrvorschriften unterworfen. Danach hat der Fahrer alles zu unterlassen, was andere Teilnehmer, Streckenposten, Zuschauer oder sonstige Personen behindern oder gefährden könnte, insbesondere sind nachfolgende Fahrzeuge zu beachten. Wagen, die überholt werden, müssen dem überholenden Wagen sofort Platz machen und gegebenenfalls die Ideallinie frei geben. Dabei ist jedes Drängen nach Innen oder Außen streng untersagt und wird bei Feststellung geahndet.
Beide Fahrer haben diese Fahrvorschriften nicht hinreichend beachtet. Nach der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass B. in der Nordkurve rechts an dem vor ihm befindlichen Fahrzeug des A. vorbeifahren wollte, während A. nach rechts zum Kurveninnenrand lenkte, um die Ideallinie zu erreichen. Bei der Annäherung der Nordkurve befuhren beide Fahrer entsprechend den Fahrempfehlungen die äußere Seite der Fahrbahn. A. hatte jedoch die Verpflichtung, nachfolgende Fahrzeuge zu beachten. Er musste nach dem Reglement jederzeit, auch im Kurvenbereich, mit einem Überholmanöver rechnen. Auch B. hat gegen Sorgfaltspflichten verstoßen. Zwar mussten Fahrzeuge, die überholt werden, den vor ihm vorbeifahrenden Kfz sofort Platz machen. Dies setzte jedoch voraus, dass die betroffenen Fahrer einen nachfolgenden oder überholenden Verkehrsteilnehmer auch wahrnehmen konnten und wahrgenommen hatten. Ob dies der Fall war, konnte wegen des freien Sichtfeldes am besten der nachfolgende Verkehr beurteilen. Zudem musste B. aufgrund der Fahrempfehlung damit rechnen, dass das vor ihm fahrende Fahrzeug innerhalb der Nordkurve zum Kurveninnenrand ziehen würde, um die Ideallinie zu erreichen. Selbst wenn A. abgebremst haben sollte, hätte B. nicht den Schluss ziehen dürfen, A. habe ihn zwischenzeitlich bemerkt und lasse ihn vorbei. Weil beide Fahrer in gleichem Maße zum Unfallgeschehen beigetragen haben, jeweils also eine hälftige Mitverantwortlichkeit besteht, haben die Beklagten dem B. die Hälfte seines erstattungsfähigen Schadens zu ersetzen.
Die Revision ist nicht zugelassen worden.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 21.10.2008
- 10 U 36/08 –